Kriegsenkel.at

Erste österreichische Plattform für Kriegsenkel:innen

Wer sind die Kriegsenkel:innen?

Als Kriegsenkel:innen werden diejenigen Menschen benannt, deren Eltern im 2. Weltkrieg Kinder waren, also sog. 'Kriegskinder', die ca. zwischen 1925 – 1945 geboren wurden.
Kriegsenkel:innen sind meist in den 50er, 60er und 70er Jahren geboren. Sie haben selbst keinen Krieg erlebt, und weisen dennoch transgenerative Kriegsfolgestörungen auf.

Kriegsenkel:innen leiden unter unterschiedlichen, zumeist diffusen seelischen Belastungen, die oft nur durch den Blick in die Geschichte ihrer Eltern und Großeltern im Zusammenhang mit deren Erlebnissen rund um den 2. Weltkrieg verstehbar werden.
Es sind Themen der Scham und Schuld, der Trauer, der Angst, der Beziehungs- und Kommunikationsstörungen und der inneren Leere. Kriegsenkel:innen fühlen sich oft fremd, suchen ihre Identität und sind oft mit innerer/emotionaler oder örtlicher Heimatsuche beschäftigt. Gemeinsam ist ihnen oft eine Rastlosigkeit, eine hohe Leistungsbereitschaft, die nicht selten zur Erschöpfung führt. Sie suchen oft ihr ganzes Leben nach Anerkennung im Außen, nach ihrem eigenen Lebensraum, nach Platz in der Gesellschaft und sie versuchen eine innere Leerstelle zu füllen.

Kriegsenkel:innen wählten oft Berufe, die mit Kontrolle oder Helfen und Heilen zu tun haben - so auch wir!

Sie „kämpf(t)en“ mit ihren Eltern, die oftmals als Kinder im Krieg durch eigene Erlebnisse oder durch das Beobachten von Kriegsgräuel traumatisiert wurden. Deren Eltern wiederum waren Kriegsteilnehmer:innen - politisch gesprochen - auf der Täter:innen- oder Opferseite, individuell haben sie körperliches und seelisches Leid erlebt. Das Schweigen über die NS- und Kriegszeit dieser Generation hatte unterschiedliche Gründe mit fatalen Auswirkungen auf die Nachkommen, die Familienbeziehungen und die Gesellschaft.
Darunter leiden wir noch heute - bald 80 Jahre nach Kriegsende.

Unsere Bezugspunkte

Die Betreiber:innen dieser Webseite sind Enkel:innen der Kriegsteilnehmer:innen mit familiären Bezügen nach Deutschland, Polen, Kroatien, Slowenien / ehemalig. Jugoslawien und Österreich.

Unsere Großväter waren Soldaten im Krieg, Nazis oder Kriegsverweigerer der politischen Täterseite.

Unsere Familien waren ...

aber auch individuelle Opfer des Krieges, sie waren Deutsche / Österreicher:innen / Kroat:innen. Sie haben auf unterschiedliche Weise den Krieg überlebt, ihre Heimat verlassen müssen oder sind getötet worden. Über manches wurde innerhalb der Familien gesprochen, vieles wurde verschwiegen.
Allerdings haben die Kriegskinder-Eltern ihr Leben lang sehr gut funktioniert und nach dem Krieg materiellen Wohlstand erschaffen. Zeit zum Innehalten gab es nach dem Krieg kaum. Auch gab es keine Möglichkeiten sich psychisch / traumatherapeutisch behandeln zu lassen.

Viele dieser Kriegskinder - unsere Elterngeneration - sind in einem Milieu des Schweigens, manche in der Beziehungslosigkeit (Emotionslosigkeit) aufgewachsen. Was ihnen selbst als Kindern widerfahren ist und das was ihnen in ihrer Entwicklung gefehlt hat, wurde selten als Leid wahrgenommen, noch als dieses anerkannt.

In vielen Familien wurde keine kritische Haltung zur NS-Zeit eingenommen, sondern dazu geschwiegen. Oft war nur das eigene erlebte Leid Teil der Familiengeschichten.
Im Geschichtsunterricht unserer Schullaufbahnen wurde die NS-zeit zudem kaum behandelt.

Erst durch unsere Ausbildungen, der Berufserfahrung und der Distanz zum Elternhaus konnten wir uns diesen Themen annähern. Durch Recherchen in den eigenen Familiengeschichten wurde uns manches schmerzlich bewusst. Das "Ans-Licht-bringen" half uns die Täter:innen-Seiten zu beleuchten, das erlebte Leid nachzufühlen und uns mit unserem imateriellem Erbe auseinander zu setzen! So manches an Beziehung zu den Eltern wurde dadurch (noch) ermöglicht.
Die phänomenologische Erfassung der transgenerationalen Traumata ist heute Bestandteil unserer beruflichen Tätigkeiten! Auch das Engagement mit den aktuellen gesellschaftlichen Themen wie Radikalisierungen, Extremismus, Flucht und der aktuell Traumatisierten, sind logische Folgen unserer eigenen Mehrgenerationen-Biografien.